S 3-Leitlinie

zur Gesundheitsversorgung von transidenten Menschen

Was bedeutet sie?

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat eine S3-Leitlinie zur Gesundheitsversorgung von transsexuellen Menschen veröffentlicht: „Geschlechtsinkongruenz¹, Geschlechtsdysphorie² und Trans-Gesundheit“. Federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS). Schwerpunkt der Leitlinie ist die Diagnostik, Beratung und Behandlung bei gesundheitlichen Belastungen im körperlichen, psychischen und psychosozialen Bereich.

Neben zahlreichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Urologie, der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen und der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik war an der Ausarbeitung auch die „Bundesvereinigung Trans*“ (BVT*) beteiligt.

„Die Trans-Gesundheitsversorgung erfolgte in Deutschland viel zu lange mit Hilfe völlig veralteter Sichtweisen auf transgeschlechtliches Leben. Dies führte zu einer massiven Diskriminierung und zu einem Leiden von Trans-Personen“, sagte Mari Günther vom BVT*-Vorstand. Die Leitlinie strebe einen Paradigmenwechsels an – Trans-Personen sollten als mündige und selbstbestimmt handelnde Menschen respektiert werden, die nach umfassender Information die bestmöglichen Entscheidungen für sich und ihr Wohlbefinden treffen können, so Günther.

Die S 3-Leitlinie hat die „Professionalisierung und Individualisierung der Behandlung der Geschlechtsdysphorie, sowie die Etablierung einer effizienten Gesundheitsfürsorge für transsexuelle Menschen“ zum Ziel. Sie soll die Trans-Gesundheitsversorgung in Deutschland aus einer differenzierten psychosozialen Perspektive individualisieren, flexibilisieren und insgesamt modernisieren. „Aus Sicht der Trans-Community kann diese Leitlinie ein wichtiger Schritt im Rahmen einer weiteren Entpathologisierung sein“, heißt es aus dem BVT*.

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/98416/Neue-S3-Leitlinie-zur-Gesundheitsversorgung-von-transsexuellen-Menschen

S 3-Leitlinie als pdf: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/138-001l_S3_Geschlechtsdysphorie-Diagnostik-Beratung-Behandlung_2019-02.pdf

Statt Transsexualität jetzt Geschlechtsinkongruenz

Ist es tatsächlich besser und ein Fortschritt? Zu begrüßen ist, dass Transsexualität künftig nicht mehr als diskriminierende Persönlichkeitsstörung eingeordnet wird (ICD 11). Die Zuordnung zur neuen Kategorie „17 Conditions related to sexual health“ („Zustände bezogen auf sexuelle Gesundheit“) kann dazu beitragen, dass es zu einer Entpathologisierung kommt.

Kritisch wird diese Leitlinie von der Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. (ATME) gesehen: https://www.facebook.com/atme.ev/posts/mit-der-s3-leitlinie-geschlechtsinkongruenz-geschlechtsdysphorie-und-trans-gesun/10156953314671454/

Wichtig zu wissen

Die „Leitlinien“ der AWMF sind systematisch entwickelte Hilfen für die Ärzteschaft zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Sie beruhen auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen.

Die „Leitlinien“ sind für die Ärzteschaft rechtlich (noch) nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Die „Begutachtungsanleitung Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität“ der Spitzenverbände GKV und MDS (Richtlinie nach § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V von 2009 – https://www.sozialgesetzbuch-sgb.d/sgbv/282.html) wird durch die Leitlinie weder ersetzt, noch aufgehoben.

Weitere Quellen: https://www.bundesverband-trans.de/wp-content/uploads/2019/02/20190129_Kommentar-zur-DGSMTW-Stellungnahme-1.pdf


¹ Inkongruenz (Nichtübereinstimmung) ist eine ärztliche Diagnose zwischen Geschlechts-identität und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht.

² Eine weitere ärztliche Diagnose, wenn bei Betroffenen (Kinder oder Erwachsenen) das Gefühlseit sechs oder mehr Monaten besteht, dass ihr anatomisches Geschlecht nicht mit ihrerGeschlechtsidentität übereinstimmt.